Fachgespräch im Bundestag zur Prävention von Massenverbrechen

Der Bundestag-Unterausschuss “Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln” hat am 14. Januar 2019 erstmals eine Sitzung über die Prävention von Massenverbrechen und Möglichkeiten für den Ausbau von Frühwarnmechanismen und Kohärenz in Deutschland abgehalten. Zu diesem Fachgespräch war unter anderem UN-Untergeneralsekretär Adama Dieng eingeladen. Er ist der Sonderberater des UN Generalsekretärs für die Prävention von Völkermord. Darüber hinaus wurde Jens Stappenbeck, Geschäftsführer von Genocide Alert, als Sachverständiger vom Bundestag befragt.

Adama Dieng: Anstieg von Massenverbrechen muss Deutschland interessieren!

Adama Dieng wies darauf hin dass die Welt unter anderem in Myanmar, Nigeria, Südsudan und Syrien einen besorgniserregenden Anstieg von Massenverbrechen beobachte. Das müsse Deutschland und den Rest der Welt interessieren. Risikosituationen müssten früher erkannt werden und frühzeitig präventiv gehandelt werden, Hierbei müssten die Staaten auch international zusammenarbeiten. Wenn Krisen eskalierten, ethnische Gruppen attackiert werden, oder sich gar ein Völkermord abzeichne, dann müsse der betroffene Staat selbst handeln bzw. von der Staatengemeinschaft zum Handeln gedrängt werden. Versage er drin müsse gegebenenfalls die internationale Gemeinschaft im Sinne des Konzepts der „Schutzververantwortung“ („Responsibility to Protect“) aktiv werden. Es bedürfe eines effektiven Multilateralismus, auch im UN-Sicherheitsrat, um Massenverbrechen früher zu verhindern. Dieng zeigte sich dabei jedoch besorgt darüber, dass der UN-Sicherheitsrat immer häufiger nur schwache Worte im Angesicht von Massenverbrechen finde.

Genocide Alert: Prävention früher und aktiver betreiben

Jens Stappenbeck von Genocide Alert betonte, dass Prävention früher und aktiver betrieben werden müsse. Bis heute bleibe das Verhindern von Massenverbrechen wie Völkermorden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und systematischen Kriegsverbrechen eine moralische und historische Verantwortung Deutschlands. Auch im Hinblick auf die katastrophalen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Auswirkungen seit die Prävention solcher Verbrechen im ureigenen Interesse der Bundesrepublik. Dies habe die Bundesregierung im Juni 2017 mit den Leitlinien zur Krisenprävention bekräftigt. Dort heißt es: “das Verhindern von Völkermord und schweren Menschenrechtsverletzungen und das Eintreten für bedrohte Minderheiten sowie für die Opfer von Unterdrückung und Verfolgung gehören zur deutschen Staatsraison.” Um dies in die Tat umzusetzen, so Stappenbeck, sei eine wirkliche ressortübergreifende Zusammenarbeit und eine bessere Abstimmung der verschiedenen zuständigen Bundesministerien erforderlich. Das Bekenntnis zur Prävention von Massenverbrechen müsse in eine außenpolitische Schwerpunktsetzung und Konzeptentwicklung übersetzt werden. Die Entwicklungen in Myanmar hätten gezeigt, dass dies nicht funktioniere, obwohl viele Nichtregierungsorganisationen bereits früh vor Verbrechen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya gewarnt hätten.

In der Diskussion mit den beiden Experten vertieften die anwesenden Abgeordneten einzelne Themenbereiche, wie die Problematik der Interessenkollisionen im UN-Sicherheitsrat, die Frage nach Instrumenten zur Prävention von Massenverbrechen und nicht zuletzt die Spannung zwischen präventivem Handeln und militärischem Eingreifen unter der sogenannten Schutzverantwortung.

Strategie zur Prävention von Massenverbrechen erforderlich

Genocide Alert begrüßt, dass der Bundestag sich zum ersten Mal tiefergehend der Prävention von Massenverbrechen gewidmet hat. Wir freuen uns, dass wir mit unserer Expertise dazu beitragen konnten und hoffen, dass auf diese offene Diskussion nun die Entwicklung einer echten Strategie zur Prävention von Massenverbrechen folgt.

Eine Aufzeichnung des öffentlichen Fachgesprächs des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ des Bundestages zum Thema „Prävention von Massenverbrechen“ vom Montag, 14. Januar 2019, kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw03-pa-zivile-krisenpraevention-585776